Hipstamatic Foto von @zefixsogi
von Peter Kasprzyk
23.04.2023

Starte dein Fotokunst-Projekt – Teil 1

Mit dem Smartphone kam die Bilderflut. Ob Strandurlaub unter blauem Himmel, das leckere Essen beim Italiener um die Ecke oder die Shopping-Tour mit der besten Freundin – jeder Moment wird heute fotografisch festgehalten. Denn mit dem Smartphone ist auch die Kamera immer mit dabei.

Jede neue Smartphone-Generation hebt die Bildqualität durch bessere Hardware und KI-gestützte Bildveredelung auf ein neues Level. Das Smartphone genügt inzwischen völlig, um Urlaubserinnerungen farbenprächtig festzuhalten, sogar wenn man später davon Poster als Wandschmuck drucken lassen möchte. Und dank KI wird fast jede Aufnahme zu einem gelungenen Foto – selbst bei Dunkelheit. Doch auf dem sich immer schneller drehenden Bilderkarussell entfaltet nur das Außergewöhnliche eine Haftwirkung für den Blick.

Wir stellen in dieser Beitragsreihe zwei Apps vor, die euch helfen, aus euren Fotos kleine Kunstwerke oder zumindest Hingucker mit Charme zu machen.

Den Auftakt macht Hipstamatic Classic. Die App ist bereits seit 2009 im Apple App Store erhältlich.

Hipstamatic Classic – Retrocharme exklusiv für das iPhone

Hipstamatic, der altehrwürdige Klassiker unter den Foto-Apps, ist nach wie vor nur für das iPhone erhältlich. Auch wenn auf verschiedenen Blogs das Gegenteil behauptet wird – bis dato gibt es keine Android Version von Hipstamatic im Google Playstore. Zumindest nicht vom Hersteller Hipstamatic, LLC.

Ich nutze Hipstamatic seit meinem iPhone 4S, also ungefähr seit Anfang 2012. Die App hat es mir einfach angetan. Mit Hipstamatic stehen einem Dutzende von virtuellen Filmen, Objektiven und Blitzen zur Verfügung, die sich beliebig kombinieren lassen. Außerdem bietet die App seit geraumer Zeit professionelle Bearbeitungsfunktionen, wie Belichtung, Farbtemperatur, Tonkurven usw. Mit der Hipstamatic gemachte Aufnahmen können in RAW und als JPG-Datei gespeichert werden. Dabei wird neben dem Hipsta-Foto auch das ungefilterte Originalfoto abgelegt. Bearbeitest du lediglich ein vorhandenes Foto, so lässt es sich automatisch als Kopie des Originalfotos sichern. Du kannst also von einer Aufnahme beliebig viele Hipstamatic-Variationen erstellen.

Fotografieren mit der Hipstamatic Classic
Bearbeitung: Favoriten auswählen
Bearbeitung: Linse auswählen
Bearbeitung: Film auswählen
Bearbeitung: Blitz auswählen
Individuelle Bearbeitung

Nostalgie pur

Bereits das Fotografieren mit der Hipstamatic fühlt sich retro an. Das Motiv im kleinen, quadratischen Sucherfenster, daneben der große gelbe Auslöser – der Look erinnert an die Kodak Instamatic Kameras längst vergangener Zeiten. Das Foto selbst wird als quadratisches Hipstamatic-Bild und normales iPhone Foto gespeichert. Wenn Linse und Film nicht das gewünschte Ergebnis liefern, probiere einfach andere Kombinationen aus, bis das gewünschte Bildergebnis vorliegt. Dabei kannst du auswählen, ob du das Hipstamatic-Foto weiter verfremden willst oder das ungefilterte iPhone Foto als Ausgangsbild für die Bearbeitung nutzen möchtest.

Überhaupt kann man jedes Foto – also auch solche, die nicht mit der Hipstamatic gemacht wurden – mit der App bearbeiten.

Sinn für Gemeinschaft

Hipsta-Fotografen zeigen gerne ihre Kunstwerke und inspirieren sich gegenseitig. Zumindest kann man diesen Eindruck gewinnen, wenn man auf Instagram nach Hashtags wie #hipstamatic (über 5 Millionen Beiträge), #hipsta_crazy, #hipstamaticmagic, #hipstamaticpure oder #hipstamaticaddicts sucht. Sicher, auch Hipstamatic-Influencer sind darunter zu finden. Aber die Mehrheit erfreut sich einfach an den quadratischen Kunstwerken, die wie für Instagram gemacht zu sein scheinen. Immer wieder werden auf Instagram Challenges ausgerufen, welche Hipstamatic-Enthusiasten auf der ganzen Welt anspornen, ihre Fotokunstwerke einem größeren Publikum vorzustellen.

Wir zeigen hier einige, die uns die Hipstamatic-Fotografin @zefixsogi aus ihrer Sammlung zur Verfügung gestellt hat. Das Titelbild dieses Beitrags, das auf Instagram gleich zweifach von der Hipstamatic-Community ausgezeichnet wurde, ist ebenfalls von ihr.

© @zefixsogi
© @zefixsogi
© @zefixsogi
© @zefixsogi
© @zefixsogi
© @zefixsogi
© @zefixsogi
© @zefixsogi

Bildvergleich – Original und Hipstamatic

Nachfolgend drei Beispiele, wie mit Hipstamatic Fotos aufgepeppt werden können. Das Material wurde von @zefixsogi zur Verfügung gestellt.

Beispiel 1 - Original, © @zefixsogi
Beispiel 1 - Hipstamatic, © @zefixsogi
Beispiel 2 - Original, © @zefixsogi
Beispiel 2 - Hipstamatic, © @zefixsogi
Beispiel 3 - Original, © @zefixsogi
Beispiel 3 - Hipstamatic, © @zefixsogi

Nur im Apple App Store

Hipstamatic Classic ist im App Store von Apple erhältlich und kostet als Starter-Paket, das die App zusammen mit ein paar virtuellen Filmen und Linsen umfasst, aktuell 3,49 €. Weitere Linsen, Filme usw. sind als In-App-Käufe erhältlich. Hier werden immer mal wieder Bundles mit mehreren Linsen und Filmen – sogenannte Retropaks – vergünstigt angeboten. Auch lässt sich das Erscheinungsbild (Skins) der App mit virtuellen Cases ändern. Eine Spielerei für echte Fans, auf die ich persönlich sehr gut verzichten kann, da sie mit der Bildbearbeitung nichts zu tun haben.

Nicht Classic, aber ähnlich: Hipstamatic X

Vom gleichen Hersteller gibt es im App Store außerdem Hipstamatic X, die ein ähnliches Retro-Konzept verfolgt wie Hipstamatic Classic. Ich habe diese App zwar ausprobiert, konnte mich aber nicht so richtig für sie begeistern. Sie speichert nur das gefilterte Bild – es gibt also kein unbearbeitetes Originalfoto. Damit ist jede Aufnahme einzigartig. Für Puristen mag das bestimmt seinen Reiz haben, ich aber habe die App inzwischen nicht mehr auf meinem iPhone. Zuletzt habe ich 2020 mit der Hipstamtic X Schnappschüsse gemacht. Daher weiß ich nicht, ob mittlerweile auch Hipstamatic X das Originalfoto zusätzlich speichert.

Spieltriebstiller oder Zeitfresser

Seit mehr als 10 Jahren nutze ich Hipstamatic Classic. In dieser Zeit haben sich zahlreiche Filme und Linsen angesammelt. Den Überblick habe ich schon längst verloren. Ich empfinde die vielen Möglichkeiten inzwischen als Zeitfresser… aber irgendwie nähren sie auch meinen Spieltrieb. Denn gerade diese frei kombinierbaren Linsen, Filme und Blitze machen die Magie der Hipstamatic aus.

Die Kunst besteht darin, für ein Motiv die perfekte Kombination aus Linse, Film und Blitz zu finden. Hat man so wie ich viele HipstaPaks, kann gerade das ein zeitaufwendiges Unterfangen werden. Zwar lassen sich Kombinationen als Favoriten sichern, doch bei den zahlreichen Möglichkeiten ist das auch keine echte Hilfe. Daher nutze ich inzwischen hauptsächlich Standard-Kombinationen. Nur bei besonderen Motiven spiele ich die vielfältigen Möglichkeiten aus Linse, Film und manchmal auch Blitz durch. Die Ergebnisse dieser Filter – nichts anderes sind die virtuellen Linsen und Filme der Hipstamatic – begeistern mich aber nach wie vor. So manches alltägliche Foto wird mit der Hipstamatic zu einem kleinen Kunstwerk.

Nachfolgend einige Beispiel aus meinem eigenen Fundus:

Aurora NCL Linse und Midnight Sun AS Film
Big Bertha Linse und Porthole SN92 Film
Florence Linse, Cheshire Film und Standard Blitz
Bo-Kaap Linse und 12 Apostles Film
Jack London Linse und Standard Blitz
Tejas Linse and Blanko Freedom13 Film
Watts Linse und Big Up Film
Antoni Linse und Maple 1880 Film
Lucifer VI Linse und Tilda Film
Doris Linse und BlacKeys SuperGrain Film
Madalena Linse und Robusta Film
Chunky Linse und Big Easy Film
Pablo Mark I Linse, Delaunay 1941 Film und Apollo Blitz

Hipstamatic-Werke von Profis

Ob Streetart oder Fotojournalismus – zahlreiche professionelle Fotografen haben schon mit der Hipstamatic App und dem iPhone als Kamera fotografische Kunstwerke geschaffen.

So hat der Fotograf Damon Winter einen Preis für eine Fotoreportage für die New York Times bekommen. Er fotografierte mit einem iPhone und der Hipstamatic App Soldaten bei ihrem Einsatz in Afghanistan. Die Fotos sind hier online zu sehen: https://www.poy.org/68/17/third_01.php

Zu den Pionieren der Kunstfotografie mit der Hipstamatic App zählt auch der luxemburgische Fotograf François Besch. Internationale Aufmerksamkeit erlangte er mit seinen Hipstamatic Porträts von berühmten Persönlichkeiten. In der Galerie auf seiner Website sind zahlreiche Hipstamatic-Fotos als wundervolle Inspirationen zu finden: https://www.francoisbesch.eu/gallery/

Auch der Hamburger Fotograf Stefan Groenveld hat bereits 2010 der Hipstamatic einen Beitrag und eine Bilderserie gewidmet: https://www.stefangroenveld.de/2010/hipstamatic/

Der britische Modefotograf Ben Watts, Bruder der berühmten Schauspielerin Naomi Watts, hat ebenfalls die damals noch junge Hipstmatic für einige Projekte genutzt. Auch inspirierte er die Hipstamatic-Entwickler zum HipstaPak „Bondi“. Arbeiten von Ben Watts sind hier zu finden: http://benwatts.com/

Fazit

Auch wenn ich nicht mehr so viele Hipsta-Fotos mache, ist Hipstamatic für mich nach wie vor die bevorzugte App am iPhone, um Aufnahmen einen neuen Look zu geben. Zugegeben: nicht jedes HipstaPak – also ein Set aus Linse und Film – ist ein Aha-Erlebnis oder ein „must have“. Ich würde mir statt neuer HipstaPaks lieber eine Verbesserung der eigentlichen App wünschen, die mir die Organisation der vielen Linsen, Filter usw. erleichtert. Auch lassen sich noch immer nicht alle drei Optiken eines iPhones Pro in der klassischen Hipstamatik Ansicht zum Fotografieren nutzen, sondern nur zwei: Teleobjektiv und Standardobjektiv. Aufnahmen mit dem Ultraweitwinkel des iPhones können nur nachträglich mit Hipstamatic bearbeitet werden.

Aber an diesen Verbesserungen würde Hipstamatic, LLC vermutlich nichts verdienen, denn App Updates sind im Apple Store bekanntlich kostenfrei. Bleibt zu hoffen, dass das Unternehmen noch recht lange die App für neue iOS-Versionen und iPhones aktualisiert, damit ich meinen liebgewonnenen Kamera-Begleiter auch weiterhin auf meinem iPhone nutzen kann.


Im zweiten Teil unserer Beitragsreihe stellen wir die kostenfreie App Snapseed vor, die sowohl für Android als auch iPhone erhältlich ist.